Journalistinnen und Journalisten, die ihre Arbeit nur noch in Begleitung von Sicherheitskräften ausüben können? Nicht nur in ostdeutschen Bundesländern ist das ein Problem. Auch im Westen der Republik stehen Redaktionsspitzen vor der Frage, was sie ihren Mitarbeitern zumuten können. Jörg Zajonc, Geschäftsführer und Chefredakteur von RTL West, beschreibt im Interview die Situation und spricht über Gefahren durch einen „robuster“ und „tatkräftiger“ gewordenden Extremismus.
Das Interview mit Jörg Zajonc führte Frank Überall
Vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) wissen wir bereits, dass Reporterinnen und Reporter zu Demonstrationen von Pegida und Rechtsextremen von Bodyguard begleitet werden. Sie haben sich bei RTL West auch dazu entschlossen – und das in Westdeutschland, in Nordrhein-Westfalen?
Ja, das ist richtig. Wir haben damit angefangen. Auslöser war eine so genannte Hogesa-Demo in Köln, also die „Hooligans gegen Salafisten“. Da sind alle aneinander gegeneinander geraten – Hogesa und Gegendemonstranten. Im Vorfeld gingen wir davon aus, dass es ein hohes Gefährdungspotenzial gibt. Unsere Journalisten und Kamerateams haben gefragt: Könnt ihr uns da nicht irgendwie unterstützen, uns schützen? Daraufhin haben wir bei einem Sicherheitsdienst sechs – wie es so schön heißt – robuste Kräfte bestellt, die unsere Teams beschützt haben. Jeweils zwei Mann pro Team.
In NRW gibt es ja viele rechte Demonstrationen. Welche Erfahrungen hat Ihre Redaktion da bisher gemacht?
Bisher gab es aus dem rechten politischen Lager zwar Drohungen, aber keine Angriffe. Eine mindestens ebenso große Gefahr gibt es aber aus dem Kreis des „Schwarzen Blocks“, der Linksautonomen, der Antifa. Die uns auch schon Kameras kaputt geschlagen haben, die wir nicht ersetzt bekommen haben. Diese Gruppierungen sind unter dem Deckmantel, sich für eine tolerante Gesellschaft einzusetzen, massiv gegen uns vorgegangen. Generell sind Kundgebungen von Rechtsextremen, Linksradikalen oder Salafisten ein immer größer werdendes Problem für Journalisten. Der Extremismus ist robuster geworden und auch tatkräftiger.
Tatkräftiger im Sinne von gewaltbereiter also. Was macht das mit Ihren Journalistinnen und Journalisten?
Journalisten sind ja auch nur Menschen. Wir sind uns sehr wohl darüber im Klaren, dass unsere Berichterstattung Konsequenzen hat. Früher war diese Konsequenz fast ausschließlich verbaler Natur. Da gab es Ablehnung. „Das habt ihr schlecht gemacht“, wurde uns gesagt. Heute gibt es persönlich, aber auch in den sozialen Netzen massive Bedrohungen. Da heißt es auch schon mal: „Wir wissen wo du wohnst. Da ist man heute viel stärker eine Zielscheibe. Ich selbst mache den Job seit fast 30 Jahren. Heute bin ich viel stärker die Zielscheibe für herabwürdigende und beleidigende Kritik und Bedrohungen als noch vor fünf Jahren.
Denken Sie in der Redaktion drüber nach, nicht mehr oder anders zu berichten?
Nicht mehr zu berichten, das sollte man als Journalist nicht tun. Wir lassen uns nicht einschüchtern und berichten weiter über alles, von dem wir glauben dass es berichtenswert ist. Wir versuchen nach wie vor ausgewogen zu berichten. Wir versuchen, Bericht und Meinung klar zu trennen. Und wir versuchen uns vor allem stärker wieder einem Faktenjournalismus zuzuwenden, der auch einen konstruktiven Ansatz hat. Also nicht nur zu reportieren, dass alles schlecht und negativ ist, sondern zu sagen, warum es schlecht ist und wie man es vielleicht anders machen könnte. So wie Journalismus eigentlich sein sollte.
Und Sie haben selbst nie Angst, dass die Drohungen mal ernst werden können, dass selbst Bodyguards nicht mehr helfen?
Ich bin auch schon massiv bedroht worden. Das ist wirklich keine schöne Situation. Das beeinflusst den Menschen schon sehr, also mich hat es beeinflusst. Ich habe gleichwohl immer versucht mir zu sagen, Hunde die bellen beißen nicht. Aber das ist auch ein bisschen Pfeifen im Wald. Am Ende hoffe ich, dass die Menschen doch vernünftiger sind als viele emotionale Postings vermuten lassen.
Vielen Dank für das Gespräch.