Oliver Malchow ist seit dem 13. Mai 2013 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.
Sie haben kürzlich eine Kampagne für mehr Respekt gegenüber Polizistinnen und Polizisten gestartet. Wie äußert sich dieser von Ihnen festgestellte mangelnde Respekt?
GdP-Bundesvorsitzender Oliver Malchow: Tatsächlich beackern wir dieses auf unserer Aufgabenliste weit oben stehende Thema der Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen schon seit Jahren, in wechselnder Aufmachung und in unterschiedlichen Kreisen. Wir konnten die Politik mittlerweile dazu bewegen, eine strafrechtliche Verschärfung für Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte zu beschließen. Es wird ja aktuell viel darüber berichtet und gesprochen, dass beispielsweise Gaffer die Arbeit der Rettungskräfte und der Polizei behindern. Es rotten sich Menschen zusammen, um polizeiliche Maßnahmen zu unterbinden. Einsatzkräfte müssen damit rechnen, unvermittelt angegriffen zu werden, und so weiter. Respektlosigkeit gegenüber Polizistinnen und Polizisten zeigt sich aber eben nicht nur in diesen extremeren Situationen, sondern auch schon im Kleinen: Wenn die auf der falschen Radwegseite angehaltene ältere Dame den Kollegen ankeift, „geh lieber Verbrecher fangen und lass mich in Ruhe“. Auch diese, freundlich formuliert, Nadelstiche führen unweigerlich dazu, dass die Distanz zum Bürger größer wird. Zumindest räumlich, denn die Beamten sind angewiesen, konsequent auf die sogenannte Eigensicherung zu achten. Das wollen zwar wir nicht. Aber: Das Gegenüber verliert offenbar zunehmend aus dem Blick, dass die Frau oder der Mann in Uniform ganz normale Menschen, Väter, Mütter, Töchter, Söhne, Nachbarn et cetera sind. Das spüren unsere Kolleginnen und Kollegen jeden Tag und am eigenen Leib. Und das belastet sie
Empfinden Sie mangelnden Respekt auch von Journalistinnen und Journalisten?
Malchow: Nein. Diese Erfahrung habe ich noch nicht gemacht. Bitte gestatten Sie mir jedoch darauf hinzuweisen, dass ich im alltäglichen Mediengeschäft immer öfter die Erfahrung mache, dass ein Teil der bei uns anfragenden Pressevertreter nur unzureichend über das Konstrukt Polizei und ihre staatliche Einbindung im Bilde sind. Zweitens beschleicht mich öfter das Gefühl, dass die jeweilige Anfrage oftmals einfach nur abgearbeitet wird, ohne sich dem Thema wirklich nähern zu wollen und sich drittens viel zu oft Ihre Kolleginnen und Kollegen mit einem schriftlichen Statement zufrieden geben, ohne das direkte Gespräch mit mir gesucht zu haben. Vor allem im Gespräch ergeben sich doch oft vielschichtigere Sichtweisen und Argumentationslinien.
Haben auch Sie den praktischen Eindruck, dass es immer mehr gewalttätige Übergriffe auf Vertreterinnen und Vertreter von Medien gibt?
Malchow: Wir wissen aus Gesprächen mit Pressevertretern, dass es im Umfeld von Kundgebungen radikaler oder extremer Gruppierungen gefährlicher für die Reporterinnen und Reporter geworden ist. Als Polizei bemessen wir jedoch nicht einen Eindruck, sondern die Zahl von Strafanzeigen. Diese werden nicht nach Berufsgruppen kategorisiert. Insofern sind Sie als Arbeitnehmervertretung von Journalistinnen und Journalisten wahrscheinlich besser informiert.
Gibt es besondere Schwierigkeiten, solche Übergriffe strafrechtlich festzustellen?
Malchow: Die Polizei wird die Anzeige einer Straftat aufnehmen. Die grundsätzliche Schwierigkeit besteht natürlich darin, einen Übergriff beweissicher zu dokumentieren. Liegt also ein Körperverletzungsdelikt vor, muss ein Tatverdächtiger ermittelt werden. Eventuell müssen Zeugen befragt werden. Das ist bei größerer Lagen nicht immer sofort möglich. Aber das betrifft nicht nur Journalistinnen und Journalisten, sondern auch andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer, nicht zuletzt die Einsatzkräfte selbst.
Wie beurteilen Sie die Konkurrenz der Grundrechte Versammlungs- und Pressefreiheit bei Demonstrationen vor allem (rechts-)radikaler Vereinigungen?
Malchow: Ich sehe keine Konkurrenz dieser beiden Grundrechte. Auch nicht bei den von Ihnen beschriebenen Veranstaltungen. Ist eine Versammlung rechtskonform, dann spiegelt sich darin unser Grundgesetz wider: Menschen dürfen ihre Meinung friedlich und frei äußern, und Medien dürfen darüber berichten. Natürlich ist es für die Einsatzkräfte eine mentale Herausforderung, rechts- oder auch linksradikale Kundgebungen und Demonstrationen zu schützen. Unsere Kolleginnen und Kollegen wissen jedoch sehr genau, dass es ihre Aufgabe ist, den Rechtsstaat durchzusetzen. Und das bedeutet im Zweifel auch, die Meinungsfreiheit von offensichtlichen Demokratiefeinden zu gewährleisten. Menschen, die vor diesem Hintergrund Polizistinnen und Polizisten beleidigen und sie in irgendeine radikale Ecke stellen, sollten ihr Handeln sehr genau hinterfragen. Denn sie haben das Prinzip Demokratie nicht verstanden. Wir jedenfalls wollen hierzulande keine Demokratie al gusto.
Sind Sie der Ansicht, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen hinreichend in der Lage sind, „echte“ Journalistinnen und Journalisten im Einsatzgeschehen zu erkennen, und welche Rolle spielt dabei der offizielle Presseausweis der Verbände unter dem Dach des Presserats?
Malchow: Neue Medienplattformen sowie leistungsfähige, mobile Technik ermöglichen einer Vielzahl von Menschen vielerlei abgestuften Formen von Journalismus nachzugehen. Das im Einzelnen vor dem Hintergrund des journalistischen Gesellschaftsauftrags auseinanderzuhalten, dürfte auch Nicht-Polizisten vor größere Probleme stellen. Insofern ist der offizielle Presseausweis auf jeden Fall ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die oder derjenige gegenüber einer professionellen journalistischen Tätigkeit nachgeht. Pressevertreterinnen und -vertreter sollten jedoch akzeptieren, dass je nach Einsatzlage sich die Kollegin oder der Kollege aber zunächst um ihre und seine vordringlichen Aufgaben kümmern müssen. Zumeist sind jedoch ausreichend polizeiliche Presseansprechpartner vor Ort, um für aktuelle Fragen zur Verfügung zu stehen. Es ist auch sicherlich überlegenswert, vor dem Besuch einer größeren Kundgebung oder einer vergleichbaren Veranstaltung, die Pressestelle der zuständigen Polizei-Dienststelle anzurufen oder aufzusuchen und sich dort zu erkundigen, worauf zu achten ist, und wer wann als Kontaktperson vor Ort sein wird.
Wie können wir das gegenseitige Verständnis zwischen Polizei und Journalismus verbessern?
Malchow: Ich bin der Meinung, dass grundsätzlich schon ein gutes Verhältnis zwischen Pressevertretern und Polizei besteht. Beide Parteien wissen voneinander, dass sie einer wichtigen Aufgabe dienen. Beide müssen aber auch anerkennen, wann es an der Zeit ist, den anderen machen zu lassen. Das dürfte vor allem die Pressevertreter betreffen, die während einer Lagebewältigung, wo es manchmal ein wenig ruppig und hektisch zugeht, nicht darauf vertrauen dürfen, dass sie unter Polizeischutz in aller Ruhe ein Bild machen oder einen O-Ton abfragen können. Pressevertreter sind dann einfach Teil der Lage. Ich hatte die Polizeipressebeamten vor Ort ja bereits erwähnt. Dieses Prinzip hat sich bewährt und wird weiter verbessert. Dabei helfen natürlich auch Hinweise oder Verbesserungsvorschläge der Journalisten selbst, wofür die Polizei sicherlich dankbar ist.