Sören Kohlhuber beobachtet als freier Journalist die Entwicklung der rechten Szene in Deutschland und dokumentiert regelmäßig deren Aufmärsche. Noch bis zum 27. ist er mit seinem Buch „Deutschland deine Nazis“ auf Leserreise.

„Polizisten sind keine Personenschützer für Pressevertreter“, tönte der Polizeipräsident von Berlin, Klaus Kandt, Ende 2014 im Innenausschuss. Hintergrund waren Forderungen vom Chef der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in Berlin, Andreas Köhn, dass die Polizei die Pressefreiheit zu garantieren und zu schützen habe.

Vorausgegangen waren der Auseinandersetzung massive Bedrohungen und Angriffe durch Neonazis bei einem Aufmarsch in Berlin-Marzahn. Auch ich war in Marzahn. Auch ich kenne die Neonazis, die dort Kollegen bedrohten und angriffen sehr gut. Einer der Neonazis kündigte am Rande eines Aufmarsches der AfD im Herbst 2015 in Berlin an, ich werde eines Tages „was aufn Kopp“ bekommen.

Der Versuch der Einschüchterungen ist beim Begleiten von Neonaziaufmärschen und rassistischen Protesten für Journalisten trauriger Alltag. Gerade Journalisten, die regelmäßig von solchen Aufmärschen berichten und sie dokumentieren, werden gezielt bedroht. Auf den Straßen werden Namen gerufen und Drohungen ausgesprochen. Man gibt an, die Fahrzeuge anzugreifen und es werden Wohnorte als Versuch der Einschüchterung gerufen. Bei einem Kollegen in Berlin gab es zwei Brandanschläge auf sein Auto im Jahr 2014. Nur durch aufmerksame Nachbarn konnte ein Übergreifen der Flammen auf das Wohnhaus verhindert werden.

Regelmäßig lese ich von Kollegen: sie wurden attackiert, Kameraausrüstung ging zu Bruch, sie erlitten Verletzungen durch Tritte und Schläge, einige mussten in Krankenhäusern versorgt werden. Seit 2013 sinkt die Gewalthemmschwelle von rechten Demonstranten. Oftmals berichten die Angegriffen, dass die Beamten zuschauten, weder eingriffen noch Festnahmen tätigten.

Die Begründungen für das polizeiliche Versagen sind dabei vielschichtig. Im vergangenem Jahr rief die NPD Oberhavel dazu auf, dass Polizeibeamte mich bei Aufmärschen nicht mehr beschützen soll. Wenige Stunden später gehorchten die Beamten. Bei einem Aufmarsch wurden Kollegen und ich durchgehend von Neonazis und NPD-Mitgliedern, darunter ein Stadtverordneter der Partei, so eng begleitet, dass ein Dokumentieren nicht mehr möglich war. Obwohl sogar Mitarbeiter des „Mobilen Beratungsteams Brandenburg“ anwesende Beamte ansprachen, gab es keine nennenswerte Reaktion. Keine von der eingesetzten Hundertschaft, keine der anwesenden Staatsschutzbeamten, keine vom Anti-Konflikt-Team. Als ein Pressesprecher der Polizei Brandenburg vor Ort angesprochen wurde, gab er an, er könne die Freiheit der Rechten nicht einschränken und diese z.B. vom engen Begleiten abhalten. So konnten die Neonazis am Ende die Journalisten bis zum Auto begleiten, Fotos von allen, dem Fahrzeug und dem Nummernschild anfertigen. So wurde die staatliche Institution der Polizei zum willigen Helfer bei der Einschränkung der Pressefreiheit in Deutschland durch Neonazis.

Dass Polizeibeamte keine Personenschützer für Journalisten sind, ist richtig. Doch was passiert, wenn sich Journalisten private Personenschützer bestellen? Dies funktioniert nur stellenweise, meist wenn große Fernsehsender mit ihren Kameras, bewacht von mehreren Securitys auftreten. Dies stellt niemand in Frage. Als ich im vergangenen Jahr mit einem Kollegen, einen Aufmarsch in Rathenow (Brandenburg) dokumentieren wollte, engagierten wir uns dafür Personenschützer. Anfangs war dies für die eingesetzten Polizeibeamten kein Problem. Mit Beginn des Aufzuges allerdings wurde durch eine Führungsperson der Bereitschaftspolizei unsere gesamte Gruppe umstellt. Heraus durfte nur, wer einen Presseausweis besaß. Wenige Minuten später zog der rechte Aufzug mit bis zu 700 Teilnehmern an uns vorbei. Etliche Teilnehmer waren vermummt, riefen bedrohend und beleidigend den Namen des Kollegen. Einige versuchten, aus dem Aufzug heraus den Kollegen anzugreifen bzw. das Fotografieren zu unterbinden. Schlussendlich bat uns der gleiche Bereitschaftsbeamte, der uns den Schutz versagte, wir sollen mehr Abstand zum Aufmarsch nehmen, da wir mit unserer Anwesenheit provozieren würden.

Dies ist häufig die Aussage von Beamten. Journalisten werden als störend, lästig und provozierend empfunden. Was Recht ist, interessiert dabei wenig bis gar nicht. In einem anderen Bezug sagte ein Beamter der BFE aus Mecklenburg-Vorpommern bei einer klar rechtswidrigen polizeilichen Maßnahme gegen einen Journalisten, dass man ja hinterher klären könnte, ob es rechtswidrig sei. Und dies ist offenbar die Denkweise bei vielen Beamten. Sie definieren an Ort und Stelle das Recht, frei von Judikative und Gesetzgebung. Eine Bestrafung im Nachgang findet nicht statt und wenn, dann ist sie gering. Zu groß ist die Lobbyarbeit sogenannter „Polizeigewerkschaften“.

Es gibt aber auch Hoffnungsschimmer. Ebenfalls in Rathenow stellte sich bei einem rechten Aufmarsch gezielt ein BFE-Beamter zu mir. „Ich werd´ Sie heute mal beschützen“ sagte er. Als der rechte Mob unter „Danke an die Polizei“-Rufen vorbeimarschierte, tippte ich den Beamten auf die Schulter und bedankte mich für den Schutz. Er sagte: „Von Ihnen nehme ich das an. Von denen da nicht.“

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