Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es bei Demonstrationen immer häufiger Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Innenminister Herbert Reul (CDU) verspricht im Interview mit dem DJV-Bundesvorsitzenden Frank Überall konsequenten Schutz. Auch bei den Aktionen im „Hambacher Forst“ sei für ihn die Pressefreiheit wichtig. Im Gespräch hebt er auch die besondere Bedeutung des „offiziellen“ Presseausweises hervor.
Wir beobachten immer mehr verbale, aber auch gewalttätige Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten bei Demonstrationen – vor allem von rechtsradikalen Gruppen. Ist die Polizei in NRW gut aufgestellt, was den Schutz der Pressefreiheit allgemein und der Kolleginnen und Kollegen konkret angeht?
Um es deutlich zu sagen: Gewalt gegen Journalisten geht gar nicht! Sie haben ja völlig recht: Solche Attacken sind nicht nur ein Angriff auf den einzelnen Journalisten, sondern auch auf die Pressefreiheit als Ganzes – und damit auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Deshalb hat unsere Polizei bei Demonstrationen immer auch den klaren Auftrag, die Medienvertreter, die über die Demonstration berichten, zu schützen. Und übrigens auch, ihnen eine möglichst freie Berichterstattung zu ermöglichen. Ich habe das Gefühl, dass diese Zusammenarbeit von Polizei und Journalisten bei uns in Nordrhein-Westfalen insgesamt auch ganz gut funktioniert. Trotzdem gibt es natürlich Fälle, in denen die Polizei Fehler macht. Da muss man dann zu stehen. Und vor allem muss man die Fehler schnell abstellen.
Woran liegt die Zunahme der Angriffe?
Gerade im rechtsradikalen Spektrum gelten Journalisten als Feinde. Das zeigen nicht zuletzt die „Lügenpresse“-Parolen, die bei Nazi-Demonstrationen inzwischen ja zum Standard-Repertoire gehören. Ich höre aber leider auch von verbalen Angriffen aus der linksradikalen Ecke, vor allem in den Sozialen Medien. Deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, dass wir solche Angriffe insgesamt ächten – egal, ob sie sich gegen Journalisten der „taz“ oder der „Bild“ richten.
Man hat zuweilen den Eindruck, dass nicht alle Polizei-Einheiten aus der ganzen Republik denselben Kenntnisstand in Sachen Presserecht haben. Immer wieder kommt es vor, dass Journalistinnen und Journalisten von Beamten bei Einsätzen zu Unrecht an der Arbeit gehindert werden. Sollte das in der Aus- und Fortbildung der Polizei nicht stärker berücksichtigt werden?
Zumindest bei uns in Nordrhein-Westfalen ist das Thema Pressefreiheit fest in der Aus- und Fortbildung verankert. Die Bedeutung dieses Grundrechts wird unseren jungen Kommissaranwärterinnen und -anwärtern schon im Studium, also ganz zu Beginn ihrer Polizeikarriere vermittelt. Die angehenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten absolvieren bei uns ja alle einen dreijährigen Bachelorstudiengang. Ich glaube also, die theoretischen Kenntnisse sind schon da. Möglicherweise haben wir bei der praktischen Anwendung noch etwas Luft nach oben. Gerade junge Polizisten sind da vielleicht noch etwas unsicher.
Polizei ist Ländersache – brauchen wir deshalb eine bundesweite Koordination, was Schulungsinhalte zu Pressefreiheit und Verhalten gegenüber Medienvertretern bei schwierigen Einsätzen angeht?
Ich glaube, auch die anderen Bundesländer sind in dieser Frage grundsätzlich gut aufgestellt. Wir tauschen uns da ja auch heute schon regelmäßig aus. Trotzdem gilt natürlich auch hier: Das Bessere ist der Feind des Guten.
Stellen Sie in NRW sicher, dass bei den Einsatzbesprechungen für relevante Einsätze der professionelle Umgang mit Medienvertretern nachhaltig kommuniziert wird?
Klar, wir geben uns zumindest alle Mühe. Bei jedem Großeinsatz gibt es einen sogenannten Rahmenbefehl. Und in diesen Befehlen steht glasklar drin: Achtet die Pressefreiheit! Diese Leitlinien zur professionellen Zusammenarbeit mit Pressevertretern werden auch immer wieder in den Einsatzbesprechungen kommuniziert. Außerdem gibt es bei jedem dieser Einsätze einen sogenannten „Einsatzabschnitt einsatzbegleitende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“. In diesen Abschnitten arbeiten speziell fortgebildete und meist auch sehr erfahrene Polizeipressesprecher. Und die haben nur einen einzigen Auftrag: Sie sollen die Medienvertreter und die Bürger mit größtmöglicher Transparenz über den Einsatz informieren.
Bei den Protesten im „Hambacher Forst“ gab es zunächst wieder Schwierigkeiten zwischen Polizei und Journalisten. Auf öffentliche Kritik des DJV wurde aber umgehend reagiert, Problemfälle werden ernst genommen, es wird verbindlich kommuniziert. Warum lief es Ihrer Meinung nach nicht von Beginn an „rund“?
Ein solcher Großeinsatz wie im Hambacher Forst ist für die Einsatzleitung immer auch eine kommunikative Herausforderung. Das hat zum einen mit der großen Zahl der eingesetzten Polizisten zu tun, die ja zum Teil aus ganz verschiedenen Bundesländern kommen. Außerdem liegt es an der Größe des Einsatzgebiets. Dieser Wald ist ja ein riesiges Gelände. Da haben Sie zum Beispiel nicht überall hundertprozentige Funkabdeckung. Beides hat bei den von Ihnen erwähnten Anlaufproblemen vermutlich eine Rolle gespielt haben. Ich bin dem DJV übrigens sehr dankbar, dass er uns damals sofort auf diese Probleme hingewiesen hat. Wir haben sie dann schnell abgestellt und dafür gesorgt, dass unsere Medien-Leitlinien nochmals sehr nachhaltig auf allen Ebenen kommuniziert werden. An dieser Stelle möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pressestelle des Aachener Polizeipräsidiums einmal ein großes Lob aussprechen. Die sind seit dem Sommer quasi rund um die Uhr im Einsatz und machen wirklich einen hervorragenden Job. Das sind ja quasi die Anwälte der Pressefreiheit innerhalb der Polizei.
Ehrlich gesagt hat mich nach unserer die umgehende Kontaktaufnahme der Aachener Polizei – in Abstimmung mit Ihrem Hause, dem NRW-Innenministerium – positiv überrascht. Ist die Sensibilität in Sachen Pressefreiheit in Ihrer Behörde gewachsen?
Zunächst einmal: Das freut mich natürlich, dass Sie das so wahrgenommen haben. Aber die Verantwortlichen bei der Aachener Polizei und wir im Ministerium sind wirklich sehr bemüht, Ihren Kolleginnen und Kollegen bestmögliche Arbeitsbedingungen zu bieten. Und glauben Sie mir: Wenn dann doch einmal etwas schiefläuft, ärgert das uns am allermeisten.
Was wünschen Sie sich angesichts der oft problematischen Situationen bei Demonstrationen und ähnlichen Einsätzen von uns Medienvertretern?
Wenn ich drei Wünsche frei hätte, dann wären es diese: Erstens: Denken Sie immer an Ihren Presseausweis! Denn vergessene oder abgelaufene Ausweise führen bei Zutrittskontrollen trotz wohlwollender Prüfung zu unnötigen Verzögerungen. Zweitens: Passen Sie gut auf sich auf! Immer wieder höre ich nämlich, dass sich einzelne Journalisten bei Demonstrationen selbst in Gefahr bringen. Zum Beispiel dann, wenn sie in eine geschlossene Gruppe von gewalttätigen Demonstranten hineingehen. So etwas macht es der Polizei natürlich nicht leichter, Sie zu schützen. Und drittens: Gehen Sie konsequent gegen „Schwarze Schafe“ in den eigenen Reihen vor! Denn leider kommt es in Einzelfällen auch vor, dass sich Menschen mit einem Presseausweis Zutritt zu eigentlich abgesperrten Bereichen verschaffen und später dort Straftaten begehen.
Vielen Dank für das Gespräch.