Seit acht Jahren dokumentiert der Fotograf Mario Bialek kontinuierlich Demos von rechten und rechtsextremen Gruppierungen. Vor allem in Sachsen-Anhalt und Thüringen, aber auch überregional. Aufgrund seiner intensiven haupt- und nebenamtlichen Auseinandersetzung mit dem Themengebiet ist er nach eigener Aussage bei der Szene hinreichend bekannt und werde demzufolge regelmäßig angefeindet.
Bei einer AfD-Demo am 11. Januar 2016 in Merseburg wurde er als begleitender Fotograf angegriffen und erstattete Strafanzeige. Die im Polizeirevier eingereichte Fallschilderung dokumentieren wir hier gekürzt.
Die beiden Personen mit der Taschenlampe kamen aus der Masse der Teilnehmenden heraus gerade auf mich zu, stellten sich unmittelbar vor mich und sprachen mich an. Sie beschwerten sich, dass ich die Veranstaltung fotografisch dokumentierte und wollten mich auf ihr hierbei angeblich geltendes Persönlichkeitsrecht hinweisen. Zudem hielten sie mich in diesem Moment durch zuhalten des Kameraobjektivs vom Fotografieren ab. Wie häufig in ähnlichen Situationen antwortete ich, dass sie sich bezüglich derartiger Anliegen zunächst im Versammlungsrecht und zu Pressefreiheit belesen oder sich ggf. an die Polizei wenden sollten, die nur wenige Meter weg standen. Als Reaktion auf diese Antwort kamen mir die beiden Personen nun näher – bis zum direkten Körperkontakt. Beide Personen versuchten mich mit Ellenbogen- und Schulterstößen dazu zu bewegen, mich dort zu entfernen. Wobei der ältere von Beiden währenddessen nochmals mit der Taschenlampe kurz versuchte mich aus wenigen Zentimetern Entfernung direkt ins Gesicht zu blenden. Ich wehrte mit der linken Hand den Schein der Taschenlampe ab. Dabei hatte ich auch Kontakt mit der Lampe und eventuell auch mit der Hand der Person. Daraufhin wurden die beiden Personen verbal und auch körperlich noch aggressiver. Sie standen mittlerweile wie ich auf der oberen Treppenstufe. Ich versuchte mich gegen das körperliche Drängen gegen mich zu verwehren. Der ältere von beiden versuchte nun nochmal besonders schwungvoll mit Schulter oder Oberarm gegen mich zu stoßen, was von der Kraft und Stoßrichtung unweigerlich zur Folge gehabt hätte, dass ich das Gleichgewicht verloren hätte und rückwärts die Treppenstufen herunter gestürzt wäre.
Die Szenerie wird immer aggressiver, immer übersichtlicher. Bialek konnte sich schlussendlich befreien. In der Strafanzeige heißt es weiter:
Die Polizei hatte die kurze Situation mittlerweile bemerkt, kam dazu und löste die tumultartige Personenansammlung auf. Daraufhin habe ich Polizeibeamt/innen gegenüber gleich benannt, dass ich gegen die beiden Personen, von denen die Situation ausging, Anzeige erstatten möchte. Andere Personen, die noch während der Situation als Angreifende dazukamen, konnte ich leider nicht benennen, da diese schnell wieder in der Menge der Teilnehmenden verschwanden. Von den beiden benannten Personen wurden nach meinen Beobachtungen durch Polizeibeamt/innen die Personalien festgestellt.
Daher richtet sich meine Anzeige konkret gegen diese beiden festgestellten Personen – sowie gegen die für mich unbekannt gebliebenen weiteren Personen, die im Situationsverlauf körperlich auf mich eingewirkt haben. Anzeigegründe sind Nötigung sowie versuchte Körperverletzung bzw. Körperverletzung und alle weiteren in Frage kommenden Straftatbestände. Ferner stelle ich Strafantrag gegen diese Personen.
Die beiden Personen sind mir bis dato unbekannt.
Im Anschluss an die Situation hatte ein Polizeibeamter mir eröffnet, dass von einer oder beiden Personen auch Anzeige gegen mich erstattet wurde.
Nun steht es also „Anzeige gegen Anzeige“. Dass der Kollege Bialek Strafanzeige erstattet hat, ist nicht nur im eigenen Interesse vorbildlich: Die Dunkelziffer von Journalisten, die Opfer von Gewaltübergriffen wurden, ist noch immer zu hoch. Viele Kolleginnen und Kollegen fürchten sich vor den Folgen, vor allem wenn sie ihre Identität preisgeben. Dafür wird es in vielen Fällen gute Gründe geben. Um mit Vertretern der Politik und der Polzei vor Ort gegen die zunehmende Bedrohung von Journalistinnen und Journalisten vorzugehen, braucht es aber Zahlen und Fakten. Neben Augenzeugenberichten für diese Seite helfen uns auch Hinweise, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.