Mit 85 Jahren, davon fast 60 als Journalist, ist Manfred Neuber noch mit spitzer Feder freiberuflich „zu Gange“. Vom Volontariat beim Lokalblatt über eine Regionalzeitung brachte er es zum Ressortleiter Ausland/Außenpolitik bei der WELT. Vorher war er für die amerikanische Nachrichtenagentur UPI in Frankfurt/Main, Berlin, London und New York im Einsatz. Leidenschaftlich tritt er für fairen Journalismus und Meinungsfreiheit ein. Im populistischen Milieu der Provinz erweckt das Feindschaft. Hier sein Augenzeugenbericht:
Aus Verbundenheit mit meiner Heimatstadt Nordhausen (Thüringen) habe ich in den vergangenen Jahren noch gelegentlich heimatgeschichtliche Beiträge für regionale Medien geschrieben (Luftangriffe, US-/Sowjet-Besatzung, Stasi und Treuhand) – honorarfrei.
In der „Neuen Nordhäuser Zeitung“ (nnz-online) war ich zuletzt wöchentlich mit Beiträgen vertreten. Bei alten Genossen und alternativen Parteigängern regte sich oft Kritik, die in persönliche Verunglimpfungen ausartete.
Im Laufe des Jahres hat sich die Situation zugespitzt. Zu unflätigen Beleidigungen kamen Vergleiche mit Goebbels, „Sudelede“ (Schnitzler) oder Wessi-Hetzer, vorgeschlagen für Anti-DDR-Nobelpreis. Dann geschah folgendes: Ich schrieb unter Klarnamen, manchmal mit Pseudonym Martin Roland im „Forum“ und Latimer Rex unter Leserbriefen. Der Datenschutz wurde verletzt, ob bewusst oder unabsichtlich? Nachdem ich in Artikeln vor Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit als Gefahr für das internationale Renommee einer jungen Hochschulstadt gewarnt hatte, verschärften sich die Ausfälle gegen mich von etwa einem Dutzend anonymer Schreiber.
In einem Anruf der Redaktion wurde mir Mitte August nahegelegt, „nichts mehr gegen die AfD zu schreiben“. Ungeachtet dieser Aufforderung verfasste ich in der Folgezeit mehrere Beiträge gegen die Hetze von der „Lügenpresse“ und den „staatlich gelenkten Massenmedien“, zog Vergleiche zu den Wahlergebnissen der Nazis Anfang der dreißiger Jahre und wandte mich gegen Ausländerhass. Nun wurde „aus allen Rohren“ auf mich geschossen.
Von Freunden in Nordhausen hörte ich, die nnz habe im Wahlkampf vor der Landtagswahl in Thüringen eine AfD-affine Haltung eingenommen. Es sind mehr AfD-Verlautbarungen und Kommentare von AfD-Funktionären veröffentlicht worden als von allen anderen Parteien zusammen. Wegen des Meinungsterrors einiger weniger haben sich Freunde aus der Kommentar-Rubrik zurückgezogen. Das wurde auch mir geraten.
Ohne Vorankündigung erschien ein Elaborat eines Redakteurs, der für die Nachfolge an der Spitze vorgesehen ist, in dem er meinen vorherigen Artikel „Die Unfähigkeit zu debattieren“ (analog Mitscherlich) kritisierte. Meine Replik wurde nur verstümmelt veröffentlicht. Als Überschrift wählte man „Ein letzter Gruß“ (wie makaber) und fügte an den Schluss: „Ein letzter Bericht des Kollegen.“
Auslöser war vermutlich dieser Vorgang: Die nnz nutzt für überregionale Meldungen den kostenlosen dpa-Dienst news aktuell. Mir war aufgefallen, dass die nnz an einem Tag die Meldung „ADAC-Benzinpreise“ brachte, aber nicht jene „AfD sinkt nach Halle um 2 Prozent“ und „AfD-Aussteigerin packt im stern aus“. Die Auswahl ist freibleibend, aber entlarvend. Das hatte ich in einem Kommentar erwähnt, der nicht erschien. Mein Schreiben an den Redaktionsleiter Greiner blieb unbeantwortet. Ich wollte wissen, ob der „Rausschmiss“ für das „Forum“ der Leser und die Kommentar-Spalte gilt. Zwei oder drei Kurzkommentare gingen noch durch, andere wurden deaktiviert: „Gehört nicht zum Thema“, obwohl sie punktgenau das Thema trafen, weder gegen die AGB noch gegen die guten Sitten verstießen.
Was für eine Wohltat, nicht mehr täglich Hassattacken anonymer Hetzer (Ewiggestriger & Rechtsextremer) über mich ergehen zu lassen. Es gilt jedoch zu bedenken, wie in unserer freiheitlichen Demokratie mit der Meinungsfreiheit umgesprungen wird. Thüringen war Hitlers „Mustergau“. Wird es zur AfD-Hochburg wie andere neue Bundesländer?